Angedacht

Liebe Gemeinde,
die Luke ging auf, ein Kopf und ein Oberkörper erschienen, und dann machten ein Ge-sichtsausdruck und zwei Hände unmissverständlich „Bitte, bitte„.
Die meisten Dorfbewohner versteckten sich am liebsten im Haus, als wie fast jeden Herbst in den 70er- und 80er Jahren wieder die US-Panzer zum Manöver kamen. Aber die Familie meiner Frau war bei der Birnenernte und ließ sich nicht stören: Die waren reif und muss-ten vom Baum. Dann blieb einer der Panzer zwischen zwei Häusern stecken – und alle an-deren mussten in der Hitze des Spätsommers warten. Da wäre eine saftige Birne wirklich eine Wohltat gewesen. Auf das „Bitte, bitte„ wurde also eine gekonnt geworfene Birne gekonnt gefangen. Dann deutete der Soldat nach unten und es wurden zwei weitere Birnen geworfen. Die im Panzer dahinter hatten das gesehen – und wollten auch gerne Birnen. Auch bei diesem ging die Luke auf und es wurden noch etliche weitere Birnen geworfen und „wanderten„ zu den Panzern hinten dran.
Vielleicht war das wichtig, weil das zwar Verbündete waren, aber immer noch Misstrauen herrschte. So wurde es ein wenig gebrochen und war ein kleiner Schritt, um dem Monatsspruch für Juli nachzukommen, der Jesu Aufforderung zitiert: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet.„ (Matthäus 5, 44-45)
Momentan braucht es viel größere Schritte, weil es nicht um Verbündete geht und auch nicht nur um ein Manöver. Mit Birnen wird in der Ukraine nichts zu erreichen sein; aber die Grundhaltung zu bewahren und tatsächlich zu beten und Feindesliebe lebendig werden zu lassen – das ist ganz bestimmt noch viel wichtiger als damals. Das gilt natürlich neben der Ukraine, auch für den Sudan, Jemen und die vielen anderen weltweiten Krisenherde; es gilt aber auch im Kleinen bei dem Konflikt im Betrieb, mit den Nachbarn oder in der Familie.
Also bleiben wir bei Wohltaten, wie die geworfenen Birnen eine waren … und reagieren liebevoll auf jedes „Bitte, bitte„, damit wir und andere Kinder unseres Vaters im Himmel werden können.
Kommen Sie als solche Kinder gesegnet und behütet in diesen Sommer!
Ihr
Daniel Lischewski, Pfr.